2.
Grenzbegehung der Gemeinde Kirchgandern
Es ist Sonnabend, der 22. Juni 2002, 8.30 Uhr. Am westlichem Ortsausgang haben sich etwa 100 wanderlustige Personen, darunter viele Kinder, eingefunden, um zum zweiten Mal die Gemarkungsgrenzen des Dorfes zu erwandern. Die erste Begehung der Flurgrenzen fand 1992 statt und wird in der Regel alle 10 Jahre durchgeführt. Der Sinn besteht darin, allen interessierten Einwohnern unsere Flurgrenzen bewusst werden zu lassen. Die Bevölkerung solle an diesem Tag Gelegenheit haben, an den Grenzpunkten mit den Bürgern der Nachbargemeinden zu sprechen, um gute Nachbarschaft auf Dauer zu garantieren.
Der Himmel ist leicht bewölkt, somit sind optimale Bedingungen vorhanden, wenn auch ein richtiger Wanderer angeblich kein schlechtes Wetter kennt. Zunächst geht es zum Gut Besenhausen, dem Ausgangspunkt dieser Grenzbegehung, wo wir von der Familie Flechtner, den Eigentümern des Gutes recht herzlich empfangen werden.
Man hatte eigens zu diesem Anlass eine Girlande aus Tannengrün gewickelt und eine ca. 20 Meter lange Frühstückstafel auf dem Gutshof hergerichtet, wo sich jeder Teilnehmer nach den Begrüßungsworten von Herrn Flechtner sowie des Ostsbürgermeisters Herrn August Herwig für den bevorstehenden Marsch stärken konnte. Eine Instrumentalgruppe, bestehend aus vier jungen Damen der Umgebung, untermalt musikalisch diesen stimmungsvollen Auftakt. Bei der ersten Grenzbegehung gab Herr Flechtner schon Aufschlüsse über die wechselvolle Geschichte der westlichen Gemarkungsgrenze des Dorfes, die mitten durch das Gut Besenhausen verläuft und gleichzeitig die eigentliche Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Thüringen bildet. Die meisten der Grenzsteine tragen die Jahreszahl 1743. Sie wurden nach langen Querelen zwischen dem Kurfürstentum Mainz und den hannoverschen Welfen gesetzt. Als das Eichsfeld 1813 zu Preußen kam, blieben die Grenzmarkierungen stehen, aber die Wagenräder als Zeichen der Mainzer wurden herausgehauen. Übrigens ist das idyllisch gelegene Gut Besenhausen an den Sommerwochenenden, von Freitag bis Sonntag sind Hofcafe’ und Bilderausstellung jeweils ab 11.00 Uhr geöffnet, immer ein Besuch wert.
Gut
gestärkt, der Familie Flechtner gilt ein großes Dankeschön, geht es nun
Richtung alter Bahndamm, wo uns am "Konsölchen" eine kleine
Hohengänder Abordnung mit Bürgermeister Gräf erwartet. Bei der Begrüßung
wird darauf hingewiesen, dass die eigentliche Flurgrenze etwa 30 Meter
unterhalb unseres "Wanderweges" verläuft, aber momentan
schlecht zu passieren ist.
An der Katzbrücke treffen wir auf die Arenshäuser mit Bürgermeister Alfred Spieß an der Spitze. Man stoßt auf weitere gute Nachbarschaft an. Eigens hierfür ist der Verpflegungswagen der Feuerwehr immer dabei. Auch die Arenshäuser lassen sich nicht lumpen und haben einen Begrüßungstrunk mitgebracht. Die Feuerwehr sorgt auch gleichzeitig für die Sicherheit der Wanderer auf den öffentlichen Straßen. Einige Leute schließen sich unterwegs spontan unserer Wandergruppe an. Nach 300 Metern Fußmarsch auf der B 80 geht es nun nach Überquerung der Fußgängerbrücke am Leineufer entlang, wo wir beim Sportplatz auf die Arenshäuser Straße stoßen. Ab der großen Brücke müssen wir abermals die B 80 benutzen.
Am Rustebach angekommen, warten wir vergebens auf die Vertretung der Gemeinde Marth. Da wir pünktlich im Zeitplan liegen, lassen wir uns auch nicht aufhalten. Beim Fußmarsch durch das romantische Rustebachtal wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein bestimmter Abschnitt des Baches vor Jahren um etwa fünf Meter verlegt wurde, also dort der Verlauf des Baches nicht gleichzeitig die Gemarkungsgrenze bedeutet.
Am
"Alten Teich" bringt man gegenseitig in Erinnerung, wer wo
Privatwald besitzt und man kommt zur Erkenntnis, dass man nicht unbedingt
nach Bayern fahren muss, um eine schöne Waldlandschaft genießen zu können.
An der Jagdhütte angelangt, können wir eine 2-Mann-Vertretung aus Rustenfelde mit Bürgermeister Hesse begrüßen. Die an der Wanderung beteiligten Chormitglieder lassen sich zu einem spontanem Kurzauftritt verleiten.
Weiter
marschieren wir auf der linken Seite des Rustebaches und biegen kurz vor
Rustenfelde, etwa 200 Meter vor der Mühle, links hoch auf einen
Schotterweg, den Grenzpioniere für ihre Geländefahrzeuge zum Zweck der
"Grenzsicherheit" einst angelegt hatten. Es geht steil bergauf
wobei wir links den Judenfriedhof liegen lassen, ein hügeliges Gelände,
wo Anfang des 19. Jahrhunderts die seinerzeit im Dorf angesiedelten
wenigen jüdischen Familien ihre Toten begruben.
Auf dem Eichholz angekommen, warten wir an der Grenzeiche vergebens auf unsere Reiffenhäuser Nachbarn. Kein Wunder, wir sind auch in der Zeit zu früh! Wir gehen schon mal rüber zur Kapelle, wo Mittagsrast gehalten wird. Peter Weidemann, Gastwirt des "Goldenen Löwen" sorgt mit Bratwurst und Getränken für das leibliche Wohl. Die Stimmung wird zusätzlich durch zünftige Blasmusikklänge der "I-Berg-Musikanten" angeheizt.
Inzwischen
ist auch die mit acht Leuten größte Vertretung aus Reiffenhausen zu uns
gestoßen. An diesem Platz lässt es sich aushalten, aber wir müssen
unsere Flurbegehung ja noch zu Ende bringen.
Unser
Weg führt uns nun auf dem Kolonnenweg der ehemaligen Staatsgrenze
hinunter ins Osterfeld, wo die wahre Flurgrenze eigentlich einen Knick
macht und 200 Meter westlich parallel zur ehemaligen Grenze über den
Pferdeberg verläuft. Wir nehmen aber den bequemeren Weg, denn einige der
Wanderfreunde sind schon sichtlich gezeichnet, wovon auch immer sei
dahingestellt.
Zum
Glück brauchen wir jetzt nur noch den Pferdeberg hinunter, wo sich auf
der Besenhäuser Straße der etwa 13 Kilometer lange Kreis gegen 15 Uhr
schließt.
Auf
dem Saal „Zum Goldenen Löwen" lässt man diesen Tag, abermals im
Beisein der I-Berg-Musikanten, in aller Gemütlichkeit ausklingen. Man ist
sich einig, dass auch die 2. Begehung der Flurgrenzen eine tolle Sache
war, wobei das Wetter gut mitgespielt hat.
Text:
Karl-Horst Nolte
Bilder:
Anita Nolte